Donnerstag, 6. Oktober 2011

Gefahren im Internet: CYBER-GROOMING

Heutzutage ist das Kommunikationsmedium Internet im Alltag nicht mehr wegzudenken. Das gilt vor allem für junge Menschen, die mit diesem Medium aufwachsen. Dies spiegelt sich beispielsweise in dem vermehrten Gebrauch von Chatrooms wider (vgl. Ratgeber SCHAU HIN!, S.3). Gemäß der KIM-Studie 2010 nutzen 49 Prozent der Kinder im Alter zwischen 6 und 13 Jahren mehrmals wöchentlich das Internet. 26 Prozent der befragten Kinder geben an, dass sie das Internet täglich nutzen. Die Mehrheit der Kinder verwendet das Internet ohne Begleitung eines Erwachsenen. Hierbei verbreiten sie auch persönliche Informationen und Daten wie Hobbies, E-Mail-Adresse oder Fotos. Welche Konsequenzen aus diesem Verhalten resultieren, ist den wenigsten Kindern bewusst.

Eine Besonderheit des Internet ist die Anonymität. Sie ermöglicht insbesondere schüchternen Kindern und Jugendlichen, in verschiedene Rollen zu schlüpfen und damit die Identität zu ändern, um sich als jemand anderes auszugeben. Dies gelingt mit wenigen Klicks. Die Kinder und Jugendlichen können hiermit interessante Erfahrungen sammeln, und es fällt ihnen leichter, Kontakt zu fremden Menschen aufzubauen (vgl. von Weiler 2011, S.15). Gleichzeitig kann aus der Anonymität Gefahr resultieren. Dies spiegelt sich in der leichten Beschaffung von persönlichen Angaben und Fotos wider. Insbesondere Kinder und Jugendliche bilden potentielle Opfer für pädophil geneigte Personen. Einige Kinder und Jugendliche lassen sich aufgrund des Anreizes in Form von Anerkennung oder schönen Komplimenten auf intime Konversationen ein. Den wenigsten Eltern scheint bewusst zu sein, dass sich ihre Kinder mit fremden Personen sexuell austauschen und welche Gefahren hieraus entstehen können (vgl. von Weiler 2011, S.16f).

Sexualisierte Gewalt im Internet


Die im Internet anzutreffende sexualisierte Gewalt kann unterschiedlich ausgelegt werden. Allgemein handelt es sich um die ungewollte Konfrontation mit sexuellen Äußerungen sowie um den Austausch von pornographischen Dateien bis hin zum Treffen mit drastischen Folgen (vgl. von Weiler 2011, S.59). Von Weiler kategorisiert die im Netz anzutreffende sexualisierte Gewalt in die drei folgenden Komponenten:

„1. Konfrontation mit fremdem pornographischen Material,
2.Verbreitung von pornographischen Bildern und Filmen, in denen die Kinder und Jugendlichen selbst zu sehen sind,
3. Cyber-Grooming, also die gezielte Anmache durch Erwachsene mit sexueller Absicht“ (von Weiler 2011, S.60).

Nach einem kurzen Annäherungsgespräch kommt es häufig zu einer sexuellen Belästigung. Belästigungen erfolgen meist im Privatdialog im Chat oder Messenger. Hier werden vor allem Instant Messenger aufgrund der nicht vorhandenen Kontrollen bevorzugt. Die wenigsten Instant Messenger bieten Beschwerdemöglichkeiten an. Dies verhindert unangenehme Dialoge. Ferner sind Webcam-Übertragungen möglich, die gerne von den Tätern benutzt werden, um die Kinder und Jugendlichen aufzufordern, sexuelle Handlungen an sich selbst oder anderen auszuführen. Je nach Angebot des Betreibers eines Chats oder Instant Messenger versenden die Belästiger pornographisches Material und Links an die Kinder und Jugendlichen (vgl.
Chatten ohne Risiko?, S.9f).

Spezialfall Cyber-Grooming


Der Begriff Grooming wurde bereits 1995 von dem niederländischen Tätertherapeut Ruud Bullens aufgegriffen und wie folgt definiert: „Grooming bezieht sich […] auf die Planungsphase des sexuellen Missbrauchs“ (Bullens 1995, S.55). Hierbei definiert Bullens Grooming nicht im Zusammenhang mit dem Internet. Grooming nimmt durch das Internet neue Dimensionen an und ändert sich in den Begriff Cyber-Grooming. Unter Cyber-Grooming wird „[…] die systematische Belästigung von Erwachsenen gegenüber Kindern und Jugendlichen im Internet“ verstanden. „Sie erschleichen sich in Online-Chats das Vertrauen junger Internetbenutzer – nicht selten mit der Absicht, sich auch im wahren Leben mit ihnen zu treffen und zu missbrauchen“ (http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2009/safer_internet_programm.pdf).

Cyber-Grooming kann in unterschiedlichen Ausmaßen erfolgen: „Es kommt entweder zu einem tatsächlichen Treffen mit körperlichem Missbrauch, zur Veröffentlichung von Fotos im Netz oder anderswo, unter Umständen auch zum Handel oder Tausch der Fotos“ (von Weiler 2011, S.17). Cyber-Grooming findet rund um die Uhr statt. Am häufigsten aber, wenn sich die meisten Kinder und Jugendlichen am Rechner befinden: am Nachmittag bis zum frühen Abend (vgl. von Weiler 2011, S.64). Cyber-Grooming wird nicht nur von Männern vollzogen (vgl. von Weiler 2011, S.16).

Besonders (Kinder-/Jugend-)Chatrooms werden von pädophil geneigten Personen zur Kontaktaufnahme bevorzugt. Hier können diese, speziell in nicht moderierten Privatdialogen, leicht mit potenziellen Opfern in Kontakt treten. Zu Beginn erhalten diverse Chatter eine Nachricht. Letztendlich kommt es zu einer engeren Kontaktaufnahme mit denjenigen, die darauf antworten. Anschließend kommt es zum regelmäßigen Austausch von Kurznachrichten, bis eine Vertrauensbasis geschaffen wird. Die nächste Ebene ist die Bekanntgabe von der privaten E-Mail-Adresse bis hin zur Telefonnummer. Auch ein Wechsel zu einem nicht überwachten Instant Messenger oder Unterhaltungen über Skype werden vorgeschlagen (vgl. von Weiler 2011, S.64).

Cyber-Grooming – Die Masche


Um eine engere Beziehung aufzubauen, sind die meisten Täter bereit, über einen längeren Zeitraum ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Opfer herzustellen. Die Täter benutzen besondere Muster, um das Opfer für sich zu gewinnen. Dies kann auf verschiedene Weise erfolgen: Entweder werden die Kinder und Jugendlichen mit Komplimenten überhäuft, in ihrer Identität sowie in ihrem Wesen gestärkt oder erhalten durch die Täter ihre benötigte Geborgenheit. Somit werden die Sehnsüchte der Opfer befriedigt, indem ihnen Aufmerksamkeit geschenkt wird (vgl. von Weiler 2011, S.65). Die Täter nehmen häufig eine bestimmte Identität an, um ihrem Opfer zu imponieren. Folgende Charaktere werden beim Cyber-Grooming bevorzugt vorgetäuscht (vgl. von Weiler 2011, S.66f.):

Der verständnisvolle ältere Freund: In dieser Rolle nutzt der Täter den Alltagsstress der pubertierenden Kinder und Jugendlichen aus und versucht ihnen mit Verständnis sowie Rat zur Seite zu stehen. Sobald sich diese ihrem Gegenüber anvertraut haben, geben die Opfer auch Auskünfte über ihr Privatleben preis. Es werden Fotos versendet und die Opfer sind auch bereit, sich mit dem Täter zu treffen.

Die gute Freundin: Dieser Charakter täuscht Mädchen vor, im gleichen Alter und mit denselben Problemen konfrontiert zu sein. Es entwickelt sich eine scheinbare Freundschaft, in der persönliche Erlebnisse miteinander geteilt werden. Nach geraumer Zeit täuscht das unechte Mädchen seinem Opfer vor, dass ein Bekannter oder Verwandter sich für sie interessiert und sie gerne treffen würde. Folglich kommt es zu einer Verabredung, da man der besten Freundin vertraut.

Selbstverständlich gibt es noch weitere Rollen, in die Täter schlüpfen bzw. weitere Strategien, die verwendet werden, um das Gegenüber für sich zu gewinnen und das Ziel zu erreichen. Bei Verabredungen wählen die Täter einen für Kinder und Jugendliche reizvollen Ort.

Die Absicht des Täter ist es, „[…] das Kind in eine sexuelle Beziehung hineinzuziehen, es darin festzuhalten und gleichzeitig zu verhindern, dass es darüber mit anderen spricht. Manchmal erreicht der Täter diese Mitwirkung mittels Drohungen und Einschüchterungen“ (Bullens 1995, S.56).

Zahlen und Fakten


Insbesondere Mädchen im Alter von 12 bis 16 Jahren werden Opfer einer Grooming-Falle (vgl. http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2009/safer_internet_programm.pdf). Die JIM-Studie 2010 bestätigt ebenso, dass sich 26 Prozent der befragten Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 19 Jahren mit Personen aus dem Internet treffen.

Eine 2005 von Dr. Catarina Katzer durchgeführte Studie mit 1.700 Schülerinnen und Schülern im Alter zwischen 10 und 19 Jahren zum Thema „Chatverhalten“ zeigt unter anderem folgende Ergebnisse: 38,2 Prozent der Befragten wurden ungewollt sexuell angesprochen. Außerdem gaben 25,9 Prozent an, dass sie unaufgefordert nach ihrem körperlichen Aussehen gefragt wurden. 26,3 Prozent der Chatter wurden ungewollt nach eigenen sexuellen Erfahrungen gefragt. Des Weiteren bekamen 24 Prozent unaufgefordert von sexuellen Erfahrungen anderer erzählt, 11 Prozent erhalten unaufgefordert Fotos nackter Personen und 4,6 Prozent erhielten sogar Pornofilme. Auffallend ist, dass 8,3 Prozent der Chatter zu sexuellen Handlungen vor der Webcam aufgefordert wurden.

Ferner stellt die Studie dar, dass mehr als die Hälfte der Betroffenen sexueller Viktimisierung dies als unangenehm empfinden, einige sind wütend, andere u.a. frustriert und sogar verängstigt. Außerdem gaben lediglich 8 Prozent der Betroffenen an, einem Elternteil oder Erwachsenen über die vorgefallenen Ereignisse berichtet zu haben (vgl.
http://www.chatgewalt.de/Sexuelle Gewalt im Netz.html).

Angesichts dieser Fakten stellt sich die Frage, warum sich die wenigsten Kinder und Jugendlichen, die Opfer einer sexuellen Belästigung sind, ihren Eltern oder einem Erwachsenen anvertrauen. Gründe hierfür können beispielsweise Schuldgefühle oder Scham sein. Viele Opfer suchen die Schuld bei sich und glauben, selbst für das Geschehene verantwortlich zu sein. Andere wiederum können sich nicht überwinden, über sexuelle Themen zu sprechen, besonders wenn es sich um eine negative Erfahrung handelt (vgl. von Weiler 2011, S.107). Folglich ist den meisten Eltern nicht bewusst, dass ihr Kind Opfer einer sexuellen Belästigung wurde.

Der EU-Kommission sind die Gefahren des Internet bewusst. Daher stellt sie für den Zeitraum 2009 bis 2013 für das Projekt
„Mehr Sicherheit im Internet“ ein Budget von 55 Millionen Euro bereit, um Cyberbullying und Cyber-Grooming zu bekämpfen und ein sicheres Online-Umfeld zu fördern.

Fazit und Ausblick


Festzuhalten ist, dass das Thema Cyber-Grooming ein aktuelles Problem ist und zunehmend thematisiert wird. Jedoch ist diese „neue“ Internetgefahr noch nicht ausreichend in der Fachliteratur untersucht worden. Zusätzlich erschweren unterschiedliche sowie abweichende Definitionen eine einheitliche Betrachtung von Cyber-Grooming. Ein möglicher Grund ist, dass die wenigsten Grooming-Fälle der Polizei bekannt sind und aufgrund der vorhandenden Anonymität im Internet Grooming-Täter kaum zu fassen sind.

Um Cyber-Grooming zu vermindern, müssen sowohl Kinder und Jugendliche als auch Eltern über eine fundierte Medienkompetenz verfügen. Dies könnte im Rahmen von schulischem Unterricht oder Aufklärungsarbeit der Schule erfolgen. Die Kinder und Jugendlichen sollen mit dem Medium Internet verantwortungsvoller umgehen und alles, was sich im Internet abspielt, kritisch hinterfragen. Zudem ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche eine Vertrauensperson haben, um sich bei unangenehmen Vorfällen an diese zu wenden (vgl. Kerger 2009, S.6).

Ferner sollten die Eltern auf dem aktuellen Stand der Nutzung von Kommunikationsmedien wie dem Internet sein. Außerdem sollte ein reges Interesse der Eltern an dem Internetverhalten ihrer Kinder bestehen, um möglichen unangenehmen Situationen vorzubeugen.

Katharina Kuen

Literatur und Internetquellen


Bullens, Ruud (1995), Der Grooming-Prozess – oder das Planen des Missbrauchs; in: Marquardt-Mau, B. [Hrsg.]: Schulische Prävention gegen sexuelle Kindesmisshandlung. Grundlagen, Rahmenbedingungen, Bausteine und Modelle; Juventa Verlag: Weinheim, München; S. 55f.

Kerger, Carmen (2009), Pädosexuelle im Netz; in: AJS-Forum; 33. Jahrgang; Ausgabe 1/2009; S. 6 [
http://www.ajs.nrw.de/images/pdf/forum/2009-1.pdf].

Von Weiler, Julia (2011),
Im Netz. Tatort Internet - Kinder vor sexueller Gewalt schützen. Kreuz-Verlag: Freiburg.

http://schau-hin.info/fileadmin/content/pdf/downloadcenter/Ratgeber_Persoenliche_Daten/index.html

http://mpfs.de/index.php?id=200

http://www.jugendschutz.net/pdf/chatten_ohne_Risiko.pdf

http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2009/safer_internet_programm.pdf

http://www.chatgewalt.de/Sexuelle Gewalt im Netz.html

http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/08/310&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en

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