Montag, 8. Juli 2013

Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern

Mobbing in Schulen ist längst schon trauriger Alltag. Immer mehr Schülerinnen vergeht die Freude an ihrem Leben, wenn sie ausgegrenzt, beleidigt und als Außenseiter ausgeschlossen werden. Sehr oft verlieren Schüler dadurch ihr Selbstbewusstsein und quälen sich mit Fragen: Warum bin ich der Gemobbte? Wie soll ich den Tag heute nur überstehen? Für Schülerinnen ist oftmals der Gedanke an ihr Zuhause der einzige Hoffnungsschimmer, um den Tag zu überstehen.

Doch für viele Kinder stellt nicht einmal das Zuhause einen Raum dar, in dem sie Schutz und Geborgenheit in ihrer Verzweiflung finden können. Das klassische Mobbing hat einen neuen Tatort gefunden: das Internet. Die neue Erscheinung „Cybermobbing“ erlaubt es, dass der Täter nicht wie herkömmlich auf dem Schulhof, sondern mit einem Fuß schon im Kinderzimmer steht.

Die Grundlage für das Cybermobbing stellt die vermehrte Nutzung des Internet dar. Es bietet neben einer schnellen Informationsquelle eine Menge an Kommunikationsmöglichkeiten an. Immer mehr Kinder verzichten auf die traditionellen face-to-face Gespräche und nutzen die Angebote des Social Web. Soziale Netzwerke wie Facebook ermöglichen neue Wege des Austausches. Schüler, die mittlerweile auch schon mit dem Smartphone online gehen, können schneller Kontakte finden und Daten wie Bilder und Videos rasch veröffentlichen.

Neben den Chancen und zahlreichen Möglichkeiten sind die Gefahrenpotenziale des Internet enorm groß. Internetplattformen werden auch verwendet, um Mitschüler bloßzustellen und über sie Unwahrheiten zu verbreiten. Plattformen wie Facebook und YouTube ermöglichen das Einstellen von peinlichen Bildern und Videos. Die Daten, die einmal im Internet veröffentlicht werden, können in Sekundenschnelle verbreitet werden, was für die Löschung dieser Daten ein sehr großes Problem darstellt.

Darüber hinaus verändert Cybermobbing die Täter-Opfer-Beziehung. Die virtuelle Welt macht es möglich, dass das Opfer nicht weiß, wer der Täter ist, denn der Online-Täter kann sich hinter der Anonymität des Internet verbergen. Cybermobbing-Tätern ist es möglich, rund um die Uhr ihre Opfer zu schikanieren. Für das Opfer gibt es keine Schutzräume wie das Zuhause mehr, da das Internet überall ist. Viele Cybermobbing-Opfer kommen mit dieser Situation nicht zurecht und fühlen sich in ihrer Würde angegriffen. Oftmals wissen sie nicht, wie sie sich weiterhelfen können oder an welche Hilfestellen sie sich wenden können. Immer öfter berichten Medien davon, dass Cybermobbing-Opfer den Suizid als letzten Ausweg sehen.

In diesem Beitrag wird zunächst der Begriff Cybermobbing unter die Lupe genommen. Im Anschluss wird das Phänomen Cybermobbing anhand der Ergebnisse einer aktuellen Studie vom Bündnis gegen Cybermobbing beleuchtet. Danach werden mögliche Präventions- und Interventionsmöglichkeiten an Schulen vorgestellt. Zum Schluss folgen weiterführende Links und hilfreiche Tipps für Schüler, Eltern und Lehrer.

Der Begriff Cybermobbing

Eine allgemeingültige Definition des Begriffs Cybermobbing ist in der Literatur nicht zu finden. Jedoch versuchten Autoren, sich ausgehend vom klassischen Mobbing an eine Definition anzunähern. Die Definition des klassischen Mobbings wird meistens auf die neue Erscheinung im Internet übertragen, wobei die elektronischen Medien hinzukommen (vgl. Fawzi 2009, S. 31). Cybermobbing ist für Kowalski und Limber demnach „bullying through email, instant messaging, in a chat room, on a website, or through a text message sent to a cell phone” (Kowalski und Limber 2007; zit. nach Fawzi 2009, S. 31f). In der deutschen Literatur wird der Begriff von Jäger wie folgt definiert:
„Bei Cyber-Mobbing geht es darum, dass neue Techniken, wie z.B. E-Mail, Chats, Instant Messaging Systeme (wie z.B. ICQ oder MSN) oder auch Handys eingesetzt werden, um immer wieder und mit voller Absicht andere zu verletzen, sie zu bedrohen, sie zu beleidigen, Gerüchte über sie zu verbreiten oder ihnen Angst zu machen“ (Jäger 2007; zit. nach Fawzi 2009, S. 32).
Angloamerikanische Forscher „sprechen erst von Cybermobbing, wenn bei Aggressionen im Internet die Merkmale von traditionellem Mobbing hinzukommen“ (Fawzi 2009, S. 32). Eine Definition für das traditionelle Mobbing bietet Olweus:
„Ein Schüler oder eine Schülerin ist Gewalt ausgesetzt oder wird gemobbt, wenn er oder sie wiederholt und über eine längere Zeit den negativen Handlungen eines oder mehrerer anderer Schüler oder Schülerinnen ausgesetzt ist“ (Olweus 1999; zit. nach Gollnick 2006, S. 38).
Die unterschiedlichen Medien, die beim Cybermobbing dazukommen, sind bei der Begriffsdefinition also sehr wichtig. Autoren wie Smith (2006) und Slonje (2006) haben die Medien in sieben Kategorien gegliedert, wobei zu beachten ist, dass mehrere Medien in einzelnen Mobbingfällen miteinander verschmelzen können (vgl. Riebel 2008, S. 46ff.):

1. Mobbing per SMS
2. Mobbing per E-Mail
3. Mobbing per Telefon
4. Mobbing durch Verbreitung von Bildern und Videoclips
5. Mobbing in Chatrooms
6. Mobbing per Instant Messaging
7. Mobbing auf Webseiten

Das Internet als idealer Tatort

Seitdem das Web 1.0 vom Web 2.0 abgelöst worden ist, welches auch als „Social Media“ und „Mitmachweb“ bezeichnet werden kann, werden zahlreiche Kommunikationsräume wie Internet-Chatrooms, Online-Foren, Blogs und soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter angeboten, die auch von vielen Menschen auf der ganzen Welt in Anspruch genommen werden. In Deutschland gibt es z.B. allein über 25 Mio. User bei Facebook (vgl. Cybermobbing-Studie, S. 10).

Dazu kommt, dass wirksame Kontroll- und Sanktionsmechanismen im Internet fehlen und dadurch eine große Anonymität der Personen im Netz unterstützt wird. Somit können sich Personen im Netz unter anderem Namen anmelden und in virtuellen Kommunikationsräumen unerkannt bleiben. Die Möglichkeit der Anonymisierung der IP-Adressen trägt nochmals dazu bei, dass kriminelle Handlungen im Netz schwer zu identifizieren sind.

Diese Gegebenheiten tragen dazu bei, dass das Internet sich zu einem idealen Tatort verwandelt. Für den Täter bedeutet dies, dass er nicht sein wahres Gesicht offenbaren muss und somit anonym für den Cyber-Gemobbten bleibt. Diese Gegebenheit macht es für die Opfer so schwierig, sich zu wehren und gegebenenfalls den Täter sanktionieren zu können. Weiterhin ist durch die große Anzahl an Web 2.0-Nutzern die Zahl der potenziellen Opfer im virtuellen Raum sehr groß. Für Täter sind die Opfer dadurch schneller zu finden und leichter zu erreichen als im Alltag.

Eine weitere Folge der aufgeführten Gegebenheiten ist die Offenheit vieler Nutzer, die sie angreifbar macht. Viele Nutzer geben zu viele private Informationen und Probleme preis und ebnen potenziellen Tätern den Weg. Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Internet ein idealer Ort für potenzielle Täter ist, insbesondere für Cybermobber (vgl. Cybermobbing-Studie, S. 10).

Die aktuelle Studie vom Bündnis gegen Cybermobbing

Das Bündnis gegen Cybermobbing, eine Initiative, die die Ursachen und Auswirkungen von Mobbing, Gewalt und Aggression im Internet bekämpfen möchte, veröffentlichte im Mai 2013 die bislang umfangreichste Studie im deutschsprachigen Raum (http://www.buendnis-gegen-cybermobbing.de/studie/cybermobbingstudie.pdf). Über 10.000 Schüler, Eltern und Lehrer wurden im Rahmen dieser Studie zum Thema Cybermobbing befragt. Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Sicht der Eltern, Lehrern und Schülern werden im Folgenden vorgestellt.

Ergebnisse der Elternbefragungen

Die Gefahrenpotenziale des Internet sind über 90% der Eltern bekannt. Sie sind der Meinung, dass die neuen Medien die Gewalt unter Jugendlichen verändert haben. Das bedeutet, dass das Internet gefährliche Problemlagen mit sich bringt, welche durch die Anonymität ausgelöst werden. Darüberhinaus ist das Phänomen „Cybermobbing“ 94,8% der Eltern sehr geläufig. Nach Schätzung der Eltern sind mehr als ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler als Opfer in Cybermobbing involviert. 7,3% haben solche Vorkommnisse bei ihren eigenen Kindern erlebt.

Eine weitere wichtige Erkenntnis aus der Studie sind die medialen Entwicklungen, die den Eltern Schwierigkeiten bereiten. Durch die fehlende Eigenaktivität der Eltern und die mangelhafte Aufklärung durch Schulen fühlen sich 44% der Eltern über die Sachlage nicht ausreichend informiert. Die meisten Eltern sind überfordert mit der Internetnutzung ihrer Kinder. Die Studie stellt fest, dass Schüler durchschnittlich zwei Stunden im Internet verbringen und dass über 80% der Schüler ihren Computer im Zimmer haben. Diese Fakten unterstreichen die Überforderung der Eltern in punkto Kontrolle der Internetnutzung. Aus der Studie geht hervor, dass die Mehrheit der Eltern die Internetnutzung ihrer Kinder kaum kontrollieren kann.

Maßnahmen zur Aufklärung und Prävention an Schulen fehlen aus Sicht der Eltern. Viele Eltern sind der Ansicht, dass die Informationspolitik zu Cybermobbing an Schulen sehr schwach ausgeprägt ist. Fast alle Eltern finden die Unterstützungsangebote der Schulen unzureichend und wünschen sich mehr Anti-Gewalt-Trainings an Schulen, Beratungsstellen und Fortbildungen.

Ergebnisse der Lehrerbefragungen

Die Lehrer sind genauso der Meinung, dass die Anonymität des Internet verstärkt zu enthemmtem Verhalten führt und die Wahrscheinlichkeit von Cybermobbing erhöht.

Der Einsatz von Computer und Internet in der Schule wird von der Mehrheit der Lehrer als positiv bewertet. Drei Viertel der Lehrer sind davon überzeugt, dass mit Hilfe des Internet die Unterrichtsmethoden und Arbeitsformen modernisiert werden können. Doch diese positive Einstellung trügt. Eine negative Einstellung der Lehrer macht sich im Hinblick auf den tatsächlichen Einsatz für schulische Zwecke sichtbar. Neue Medien werden von den Lehrern gar nicht oder nur sehr selten für schulische Zwecke eingesetzt. Darüberhinaus sehen die befragten Pädagogen die Wirkungen und Folgen des Internet auf die Entwicklung der Schüler eher kritisch. Vor allem negative Veränderungen der Schüler, wie z.B. bei ihrem sozialen Umgang und bei ihrer Kommunikation im Klassenraum, werden auf die Nutzung von Internet und sozialen Netzwerken zurückgeführt.

Cybermobbing ist den meisten Lehrern ein Begriff. Jedoch fehlt bei vielen Lehrern das notwendige Fachwissen. Trotz des fehlenden Fachwissens ist ihnen bewusst, dass das Internet Gefahrenpotentiale mit sich bringt. Knapp 40% fühlen sich über die Risiken und Gefahren der Internetnutzung gut informiert. Aus Sicht der Lehrer selbst besteht folglich ein starkes Informationsdefizit.

Fast 60% aller befragten Pädagogen kennen Cybermobbingfälle unter ihren Schülern und haben somit Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht. Mehr als 17% ihrer Schüler sind nach ihrer eigenen Einschätzung Opfer von Cybermobbing. Der Anteil der Täter wird auf 14% geschätzt. Eine weitere bedenkliche Erkenntnis wird von der Studie in Bezug auf die Opfer- und Täterzahlen offenbart. „In 30% der deutschen Schulen tritt mindestens einmal in der Woche ein Cybermobbingfall auf“ (Cybermobbing-Studie, S. 55).

Fälle von Cybermobbing werden in den meisten Schulen zwar konsequent geahndet, jedoch fehlen in vielen Schulen institutionelle Hilfestrukturen wie z.B. anonyme Anlaufstellen für Cybermobbingfälle. Weiterhin fehlen an den meisten Schulen spezielle Workshops zum Thema Cybermobbing, wo die Schüler Strategien erlernen können, wie sie sich bei Cybermobbing verhalten sollen. Darüber hinaus kommt an den meisten Schulen die Aufklärung und Information für Schüler, Lehrer und Eltern zu kurz, was daran zu erkennen ist, dass viele Schulen keine Primärprävention betreiben. 86% der Lehrer wünschen sich daher gutes Schulungsmaterial für den Unterricht.

Ergebnisse der Schülerbefragungen

Eine grundlegende Entwicklung bei den Schülern ist, dass die Soziale Netzwerke immer häufiger zur Kompensation von Sorgen und Nöten in der realen Welt dienen. Immer mehr Schüler wenden sich neben den Eltern und Freunden auch an Ansprechpartner im Web2.0.

Eine weitere Erkenntnis ist der Zugang zum Internet durch mehrere Kanäle. Zum Zugang vom Computer zu Hause kommt der Zugang über Smartphones dazu. Zwei Drittel aller Schülerinnen und Schüler verfügen über internetfähige Handys und Smartphones. Diese Nutzung des Internet wird von den Eltern weitgehend nicht kontrolliert. Nur 17% der Schüler berichten, dass ihre Eltern die Internetnutzung stark kontrollieren.

Von den befragten Schülern gaben 16,6% an, bisher Opfer von Cybermobbing-Attacken gewesen zu sein. Die meisten Cybermobbingfälle kommen an Hauptschulen vor. Zudem sind Mädchen häufiger das Ziel von Cyber-Attacken als Jungen. Die häufigsten Formen von Cybermobbing finden anhand von Beschimpfungen und Beleidigungen, gefolgt von Gerüchten und Verleumdungen statt. Insgesamt kommen Cybermobbing-Attacken am häufigsten in Sozialen Netzwerken vor.

Überraschend ist das Ergebnis, dass 19% der Befragten bereits selbst Täter von Cybermobbing-Attacken gewesen sind. Somit ist bei der Befragung die Anzahl der Täterschaft höher als die der Opfer. Weiterhin sind überaschende Ergebnisse im Hinblick auf die Motive der Cybermobber zu finden. Über 50% geben an, aus „Langeweile“ oder „nur zum Spaß“ gemobbt zu haben. Für die Mobbing-Opfer ist Cybermobbing auch ein Mittel, um sich zu wehren. Denn mehr als ein Drittel der Täter war selbst schon einmal Opfer von Cybermobbing.

Als Folgen bei persönlichem Erlebnis mit Cybermobbing wurden am häufigsten „Wut“ und „Verängstigung“ angegeben. Jeder Fünfte fühlte sich verletzt und ungefähr 22% berichten, dass sie bis heute darunter leiden. Bei der Hilfe zur Bewältigung von Cybermobbing richten sich die meisten Befragten an ihre Eltern und Freunde. Jedoch wünscht sich die Hälfte der Mobbingopfer mehr Unterstützung der Schulen.

Präventions- und Interventionsmöglichkeiten an Schulen

Die aktuelle Cybermobbing-Studie zeigt, dass die Problematik an deutschen Schulen immer mehr präsent ist. Es handelt sich hierbei also nicht um Einzelfälle, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das im Zuge der zunehmenden Nutzung von Sozialen Medien immer häufiger auftritt. Den erheblichen Folgen von Cybermobbing muss daher präventiv begegnet werden, ehe interveniert werden muss (vgl. Teuschel 2013, S. 287).

Laut Lösel und Bliesener (2002) kann als Ziel präventiver Maßnahmen angesehen werden, das Problemverhalten zu verringern, indem man mögliche auslösende Faktoren beseitigt und schützende Faktoren unterstützt. Innerhalb der Klasse sollte demnach die Wahrnehmung von Konflikten erhöht, eine positive Einstellung zum Geschädigten geschult und eine geringere Gewaltbereitschaft vermittelt werden.

Darüberhinaus sollte die Konfliktlösebereitschaft der Schüler gestärkt und für ein vertrautes Verhältnis zu Lehrern und Eltern gesorgt werden. Im Fokus sollte auch die Stärkung des Selbstbewusstseins der Schüler stehen, die z.B. die Schule wechseln. Denn selbstbewusstere Schüler sind weniger anfällig dafür, gemobbt zu werden. Wichtig ist jedoch, dass Präventionsmaßnahmen längerfristig angewandt werden, um ihre Wirksamkeit erhöhen zu können (vgl. Spröber 2008, S. 20).

Im Allgemeinen kann festgehalten werden: Um Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern vorbeugen zu können, muss das Phänomen Mobbing in der Schule thematisiert werden und das Bewusstsein für Mobbing gestärkt werden. Im Folgenden wird das Programm nach Olweus vorgestellt, welches Maßnahmen vorschlägt, wie das klassische Mobbing und auch das Cybermobbing in der Schule behandelt werden kann.

Programm nach Olweus

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Präventionsmöglichkeiten an Schulen klassifiziert werden können. Ein sinnvoller Ansatz ist die Einteilung nach den jeweiligen Stufen, wo die Maßnahmen greifen. Jäger (1998) unterscheidet zwischen der Mikroebene (Individualebene), der Mesoebene (Klassenebene) und der Makroebene (Schulebene). Das erfolgreichste Konzept zur Bekämpfung von Gewalt an Schulen entwickelte Olweus (vgl. Riebel 2008, S. 33).

Maßnahmen auf der Individualebene

Stellt eine Lehrkraft Mobbing oder Cybermobbing in ihrer Klasse fest, so ist es nach Olweus dringend von Nöten, sofort einzugreifen und unmittelbar das Gespräch mit dem(n) Täter(n) zu suchen. Bei mehreren Tätern ist es sinnvoll, in Einzelgesprächen den Sachverhalt zu analysieren. Nach Olweus ist es wichtig, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und die Schüler darauf aufmerksam zu machen, dass Mobbing- und Cybermobbing-Attacken in der Schule nicht geduldet und sanktioniert werden (vgl. Olweus 2008, S.97).

Beim Gespräch mit einem Gemobbten ist die Beziehung zu ihm sehr wichtig. Denn die Opfer wollen sich meistens nicht öffnen, da sie eingeschüchtert sind und teilweise nicht möchten, dass ihre Situation offengelegt wird. Nach Olweus ist jedoch das Gespräch mit dem Gemobbten für die Stabilisierung der Situation von Nöten. Darüber hinaus sollten die Eltern des Opfers und des Täters über den Vorfall aufgeklärt werden. Denn auch die Eltern können Gespräche mit ihren Kindern führen und in das Geschehen eingreifen (vgl. Olweus 2008, S. 99f.).

Eltern von Mobbing-Tätern können einiges tun. Sie können dem Kind klarmachen, dass sie die negativen Verhaltensweisen nicht dulden. Sinnvoll ist es, mit den Kindern zusammen Regeln aufzustellen und sie schriftlich festzuhalten. Ebenso müssen die Konsequenzen beim Missachten dieser Regeln thematisiert werden. Nach Olweus ist es sehr fördernd, wenn die Eltern mit dem Kind und dessen Freunden viel Zeit verbringen (vgl. Olweus 2008, S. 100f.).

Haben Eltern das Gefühl, dass ihr Kind in der Schule gemobbt wird, sollten sie schnellstmöglich den Kontakt mit der Lehrperson suchen und diese über ihren Verdacht informieren. Bei betroffenen Kindern ist es wichtig, über sportliche Aktivitäten ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Denn dadurch kann ein gesunder Kontakt zu Gleichaltrigen aufgebaut werden und Freunde können gefunden werden. Wenn alle Maßnahmen nicht greifen, kann als letzter Schritt ein Klassenwechsel oder Schulwechsel in Betracht gezogen werden (vgl. ebd., S. 102ff.).

Maßnahmen auf der Klassenebene

Innerhalb der Klasse sollten wie in der Familie Regeln eingeführt werden. Wichtig ist dabei die gemeinsame Formulierung der Regeln, wobei sich jeder Schüler dazu äußern kann und sie innerhalb der Klasse diskutiert werden können.

Eine mögliche Methode, die das Thematisieren von Mobbing und Cybermobbing in der Klasse unterstützen kann, ist das Rollenspiel. Neben den Rollen des Täters und Opfers sollte die Rolle des „neutralen“ Schülers ausführlich besprochen werden, um die Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Mobbing verhindert werden kann. Die Rollenspiele können im Plenum diskutiert und kommentiert werden. Vor allem ist es notwendig, die Rollen der Zuschauer und Mitläufer im Falle eines Mobbingprozesses zu thematisieren. Ihre passive Unterstützung des Täters wirkt sich nämlich ebenfalls negativ auf das Opfer aus, nur sind sie sich nur selten darüber im Klaren. Eine klare Regel, die im Klassenraum nicht fehlen darf, ist, dass Mobbing innerhalb der Klasse nicht akzeptiert werden darf. Die Lehrkraft sollte den Schülern nahe legen, dass das Berichten eines Mobbingfalles innerhalb der Klasse kein Petzen darstellt, sondern als eine Unterstützung für das Mobbing-Opfer angesehen wird (vgl. ebd., S. 83ff.).

Auf der Klassenebene ist die Lehrkraft ein sehr wichtiger Faktor. Grundsätzlich muss eine gesunde Lehrer-Schüler-Beziehung vorliegen, damit die Lehrkraft die Schüler positiv beeinflussen kann. Lob spielt dabei eine große Rolle. Durch Lob und Freundlichkeit kann die Lehrkraft das Verhalten der Schüler stark beeinflussen. Neben Lob sollten beim Missachten der Regeln auch negative Konsequenzen folgen. Hierbei ist es wichtig, die Konsequenzen nach Alter, Geschlecht und auch Charakter des Schülers anzupassen. Denn jeder Schüler zieht für sich bei gleicher negativer Konsequenz eine unterschiedliche Lehre (vgl. ebd., S. 87ff.).

Eine weitere Möglichkeit, um das Klassenklima verbessern zu können, bietet das kooperative Lernen. Es handelt sich um eine Art Gruppenarbeit, bei der die Gesamtleistung der Gruppe bewertet wird. Der Lehrer sollte den Gruppenauftrag so stellen, dass innerhalb der Lerngruppe eine positive Abhängigkeit geschaffen wird. Positive Erfolge innerhalb der Klassenstruktur können aber auch außerhalb des Klassenzimmers erreicht werden. Beispiele sind Aktivitäten wie Ausflüge, sportliche Aktivitäten, Zelten und Grillen (vgl. ebd., S. 91ff.).

Als einen weiteren Aspekt schlägt Olweus vor, das Thema Mobbing und Cybermobbing zum Gegenstand einer Elternbeiratssitzung zu machen. Bei der Bewältigung von Mobbing-Fällen und Gewalthandlungen innerhalb der Klasse kann seiner Meinung nach der Elternbeirat eine große Hilfe darstellen. Hierbei ist es wichtig, dass die Lehrkraft das Gefühl vermittelt, dass sie stets ein offenes Ohr für die Anliegen der Eltern hat und Mobbing niemals verschwiegen, sondern thematisiert werden muss (vgl. Olweus 2008, S. 94ff.).

Maßnahmen auf der Schulebene

Auf der Schulebene können grundsätzliche Informationsveranstaltungen durchgeführt werden. Nach Olweus ist es notwendig, einen pädagogischen Tag anzusetzen, an dem alle Lehrer, der Rektor und ausgebildete Schulpsychologen teilnehmen. Im Voraus sollten Fragebogenerhebungen in allen Klassen der Schule zum Thema Mobbing und Cybermobbing durchgeführt werden, sodass die Ergebnisse am pädagogischen Tag verwendet werden können. Zudem kann auf der Schulebene ein Bewältigungsplan zu Gewalt und Mobbing erarbeitet werden. Dieses Konzept zur Gewaltprävention kann an einer Schulkonferenz gemeinsam erarbeitet werden (vgl. ebd., S. 73f.).

Hat eine Schule nun ein solches Konzept verabschiedet, ist es zwingend notwendig, auch die Eltern der Schüler über dieses zu informieren. Dies kann an einem Elterninformationsabend umgesetzt werden. Auch können den Eltern die Ergebnisse der Fragebogenerhebungen zum Thema Mobbing und Cybermobbing an der Schule vorgestellt werden. Somit bekommen die Eltern einen Einblick in die Situation an der Schule (vgl. ebd., S. 78ff.).

Weiterhin ist es von Vorteil, ein Kontakttelefon oder einen Kummerkasten in der Schule einzurichten, sodass die Schüler rund um die Uhr die Möglichkeit dazu haben, ihre Angelegenheiten einem Lehrer oder Vertrauenslehrer mitzuteilen. Dieses Konzept kann auch in die Klassenebene übertragen werden (vgl. ebd., S. 74ff.).

Zusätzliche Tipps und weiterführende Links

Zusätzliche Tipps, wie dem Cybermobbing vorbeugt werden kann, gibt es bei klicksafe.de (http://www.klicksafe.de/themen/kommunizieren/cyber-mobbing/).

Darüberhinaus bietet das Bündnis gegen Cybermobbing viele Ratgeber und Hilfemöglichkeiten für Schüler, Eltern und Lehrer. Das Verein hat sich zum Ziel gemacht, die Gesellschaft für das Thema Cybermobbing zu sensibilisieren sowie Forschung zum Thema Cyberlife und Gewalt im Netz auf deutscher und europäischer Ebene umzusetzen (http://www.bündnis-gegen-cybermobbing.de/).

Auf dem Online-Portal der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes sind Tipps zum richtigen Verhalten bei Cybermobbing zu finden. Das Beratungsangebot klärt über die Folgen für Täter und Opfer auf und enthält zudem nicht nur Verhaltensratschläge für betroffene Schüler, sondern auch für Lehrerinnen und Lehrer (http://www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/gefahren-im-internet/cybermobbing.html).

Weiterhin sind auf der Seite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aktuelle Informationen zum Thema Cybermobbing zu finden. Das Bundesministerium hat Tipps für Kinder und Jugendliche sowie Links zusammengestellt, wie sich Jugendliche gegen Attacken schützen und selbst dagegen vorgehen können (http://www.bmfsfj.de/cybermobbing).

Die Nummer gegen Kummer ist die Dachorganisation des größten telefonischen und kostenfreien Beratungsangebotes für Kinder, Jugendliche und Eltern. Zusammen mit seinen Mitgliedsorganisationen stellt der Verein mehr als 100 Telefon-Beratungsstellen in ganz Deutschland bereit. Kinder, Jugendliche und Eltern finden hier schnelle und kompetente Hilfe (http://www.nummergegenkummer.de/).

Bei juuport bekommen Kinder und Jugendliche, die von Cybermobbing betroffen sind, gezielte Hilfe. Juuuport ist eine Selbstschutz-Plattform von Jugendlichen für Jugendliche im Web. Auf juuuport helfen sich Jugendliche gegenseitig, wenn sie Probleme im und mit dem Web haben. Fragen können entweder öffentlich im Forum oder persönlich in der Beratung per E-Mail-Formular gestellt werden (http://www.juuuport.de/).

Literatur

Bündnis gegen Cybermobbing – Cyberlife-Spannungsfeld zwischen Faszination und Gefahr, Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern (http://www.buendnis-gegen-cybermobbing.de/studie/cybermobbingstudie.pdf).

FAWZI, N. (2009): Cyber-Mobbing. Ursachen und Auswirkungen von Mobbing im Internet. Baden-Baden: Nomos Verlag.

GOLLNICK, R. (2006): Schulische Mobbing-Fälle. Analysen und Strategien. Berlin: LIT Verlag. Band 2. 2. Auflage.

OLWEUS, D. (2008): Gewalt in der Schule. Was Lehrer und Eltern wissen sollten – und tun können. Bern: Hans Huber Verlag. 4. Auflage.

RIEBEL, J. (2008): Spotten, Schimpfen, Schlagen… Gewalt unter Schülern – Bullying und Cyberbullying. Landau: Verlag Empirische Pädagogik.

SPRÖBER, N.; SCHLOTTKE, P.F.; HAUTZINGER, M. (2008): Bullying in der Schule. Das Präventions- und Interventionsprogramm ProACT+E. Weinheim, Basel: Beltz Verlag. 1. Auflage.

TEUSCHEL, P.; WERNER HEUSCHEN, K. (2013): Bullying. Mobbing bei Kindern und Jugendlichen. Stuttgart: Schattauer Verlag.

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